Im Notfall

Sexualisierte Gewalt hat viele Seiten und der Umgang von Betroffenen damit ist sehr unterschiedlich.

Was dir passiert ist kannst einzig und alleine du benennen. Du alleine weißt, wo deine Grenzen sind. Dabei spielen weder die Meinungen von Anderen noch strafrechtliche Relevanz oder vermeintlich ‚objektive‘ Kriterien eine Rolle – was du als Gewalt erlebt hast und als solche wahrnimmst, ist Gewalt. Wir haben dir hier einige Tipps als mögliche erste Schritte aufgelistet, die hilfreich sein können. Wenn du dir Unterstützung suchen möchtest, findest du hier hoffentlich Ratschläge und Hinweise, die dir dabei helfen und dich erleichtern.

1. Unterstützung durch eine Vertrauensperson
Überlege dir, ob du einer oder mehreren Personen erzählen möchtest, was passiert ist. Dieses kann zum Beispiel eine Person sein, die du bereits gut kennst und der du vertraust oder auch eine dir fremde Person sein (Berater*in, Psycholog*in).

2. Medizinische Versorgung
Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall! Wenn du eine solche Gewalttat erlebt hast, ist es wichtig und ratsam sich schnell medizinisch untersuchen zu lassen. Wenn du körperlich verletzt bist, sexuell übertragbare Krankheiten oder eine Schwangerschaft ausschließen möchtest, solltest du grundsätzlich möglichst zeitnah eine*n Ärzt*in oder die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen. Diese Stellen können dir auch Adressen von psychologischen Anlaufstellen in deiner Nähe zukommen lassen.

Über die medizinische Versorgung hinaus kannst du eine vertrauliche Spurensicherung vornehmen lassen. Dies bedeutet, dass dir detaillierte Fragen gestellt werden, du untersucht wirst und alle Verletzungen und andere Spuren dokumentiert werden. Diese Möglichkeit solltest du wahrnehmen, wenn du straf- oder zivilrechtlich gegen die gewaltausübende Person vorgehen oder dir die Möglichkeit dazu offen halten willst. Die vertrauliche Spurensicherung sollte innerhalb der nächsten 24 Stunden nach dem Vorfall geschehen. Nicht alle Ärzt*innen haben die Mittel, um die vertrauliche Spurensicherung vorzunehmen. Im Zweifel kannst du das aber vorab telefonisch erfragen. Die Spuren werden ein Jahr lang vertraulich aufbewahrt. So kannst du dir die Möglichkeit offenhalten, zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zuzugreifen (z.B. wenn du dich zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden solltest, straf- oder zivilrechtlich gegen die gewaltausübende Person vorzugehen).
Auch wenn es sehr unangenehm sein kann: Wenn du die verfahrensunabhängige Spurensicherung vornehmen lassen willst, solltest du dich vorher nicht waschen und deine Kleidung nicht wechseln, um nicht Beweismaterial für eine DNA-Analyse zu vernichten. Auch Gegenstände wie Taschentücher oder Hygieneartikel sollten nicht weggeworfen werden, wenn sie mit dem Täter oder seinen Spuren in Berührung gekommen sind.
Du hast die Möglichkeit, die Ärzt*in zu bitten, den Vorfall für dich der Polizei zu melden. Weder sie noch du seid aber zur Erstattung einer Strafanzeige verpflichtet. Ärzt*innen unterliegen der Schweigepflicht und dürfen nicht ohne deine Zustimmung die Polizei einschalten.
Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt, das bedeutet, wenn die Polizei oder Staatsanwaltschaft davon erfährt, sind sie dazu verpflichtet zu ermitteln. Eine Anzeige kann in diesem Fall nicht einfach zurückgezogen werden.

Hier sind zwei Anlaufstellen für den Notfall, die auf eine medizinische Untersuchung und vertrauliche Spurensicherung vorbereitet sind. Rufe bitte vorher die unten angegebenen Nummern an, falls du die Stellen aufsuchen möchtest:

Elisabeth Krankenhaus Leipzig, Gynäkologie
Biedermannstraße 84, 04277 Leipzig
Telefon: 0341-3959 7250

Sachverständigenbüro für Rechtsmedizin Leipzig
Dr. med. Ulrike Böhm
Fachärztin für Rechtsmedizin
Tel.: 034297-98 62 14
Mail: info@rechtsmedizin-leipzig.de
http://rechtsmedizin-leipzig.de

3. Beratungsstellen
Wenn du dir professionelle Unterstützung holen möchtest, hast du verschiedene Möglichkeiten.
In Beratungsstellen bekommst du psychosoziale Beratung zu alltagspraktischen Themen, kannst dich informieren und hast die Möglichkeit, an andere Einrichtungen vermittelt zu werden. Die meisten Beratungsstellen in Leipzig bieten offene, kostenfreie Sprechstunden an, bei denen du einfach anrufen oder vorbeigehen kannst.

Frauen für Frauen e.V.
Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS)
Email: kontakt@kis-leipzig.de
Tel.: 0341-3068778
Terminvereinbarung und Kurzberatung: 0176-70273335 (Dienstag: 13:00-14:30)
https://www.fff-leipzig.de/haeusliche-gewalt/kis-beratungsstelle/kontakt/

Frauen für Frauen e.V.
Fach- und Beratungsstelle zum Thema sexualisierte Gewalt (FuB)
Email: kontakt@fub-leipzig.de
Tel.: 0341 – 39 11 199 (Dienstag 14:00 – 15:30 Uhr und Mittwoch 9:30 -11:00 Uhr)
https://www.fff-leipzig.de/sexualisierte-gewalt/fub-fach-beratungsstelle-bei-sexualisierter-gewalt/

Bellis e.V.
Email: beratung@bellis-leipzig.de Tel.: 0341-39285565
https://bellis-leipzig.de/

Fachberatungsstelle für queere Betroffene von sexualisierter Gewalt des Bellis e.V.
Email: beratung@bellis-leipzig.de
Tel: 0341-39285565
https://bellis-leipzig.de/queer-beratung/

abkl – autonomes beratungskollektiv leipzig
Psychosoziale Beratung im Leipziger Osten
Weitere Informationen: abkl.noblogs.org
E-Mail: abkl@asleipzig

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
Die telefonische Beratung kann in 18 Sprachen erfolgen.Tel.: 116 016

Psychotherapie
Bei einer Psychotherapie geht es darum, mit einer professionalisierten Person darüber zu sprechen, wie es dir geht, wie du Sachen erlebst, wie du dich verhältst und was die Gründe dafür sind. Erlebst du vieles negativ und belastend oder belastet dich dein Verhalten, kannst du mit dem*r Therapeut*in zusammen an Strategien arbeiten, mit denen du besser zurechtkommst. Eine Therapie wird meistens von der gesetzlichen Krankenkasse finanziert.

Datenbank mit Adressen von Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in Sachsen:
asu.kvs-sachsen.de/arztsuche
Du musst hier keinen Namen angeben. Es reicht, wenn du deinen Wohnort/PLZ angibst, sowie die Fachrichtung der Ärzt*in und Therapierichtung.
So kannst du zum Beispiel bei „Fachgebiet/Schwerpunkt“ das Feld „Psychotherapie“ raussuchen und bei „genehmigungspflichtige Leistungen“ entweder „Psychotherapie: Tiefenpsychologie“ oder „Psychotherapie: Verhaltenstherapie“ auswählen.

traumanetz-sachsen.de
Dies ist eine weitere Website zum Suchen und Finden von Therapeut*innen, aber auch anderen Beratungsangeboten mit einer übersichtlicheren Such-Funktion, mit dem Schwerpunkt Trauma.

4. Frauenhäuser
Frauenhäuser sind Häuser, deren Adresse generell geheim gehalten wird. Dort kannst du Schutz finden, wenn du in deiner Wohnung nicht mehr sicher bist und vorübergehend an einem anderen Ort wohnen musst. Alle Frauenhäuser sind 24/7 über die unten angegebenen Nummern erreichbar. Falls du unsicher bist was du tun sollst kannst du unter diesen Nummern mit Sozialarbeiter*innen über deine Situation sprechen.

Zentrale Sofortaufnahme Leipzig (Clearingstelle)
Tel.: 0341-550 104 20

1. Autonomes Frauenhaus Leipzig
Tel.: 0341-4798179

Frauen- und Kinderschutzhaus Leipzig
Tel.: 0341-2324277

Frauenhaus des Wegweiser e.V. (Landkreis Leipzig)
Tel.: 0343-7708687

Deutschlandweiter Überblick der Frauenhäuser:
https://www.frauenhaus-suche.de/

Packliste Frauenhaus
https://www.fff-leipzig.de/haeusliche-gewalt/autonomes-frauenhaus/packliste/

5. Strafrechtliche Möglichkeiten
Wenn das, was dir passiert ist, einen Straftatbestand erfüllt, hast du die Möglichkeit, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten. Dafür ist es sinnvoll, im Vorhinein Kontakt zu Beratungsstellen und Anwält*innen aufzunehmen. Du kannst dir mit dieser Entscheidung die Zeit lassen, die du brauchst.

Nadine Maiwald
Anwältinnenbüro
August-Bebel-Str. 14
04275 Leipzig
Tel.: 0341-22 53 663
Mail: kontakt@anwaeltinnenbuero-leipzig.de

6. Kosten
Oft können die erheblichen Kosten der anwaltlichen Beratung erstmal abschreckend sein. Allerdings können betroffene Personen verschiedene Angebote in Anspruch nehmen, um diese zu reduzieren.

Hilfescheck anwaltliche Erstberatung – Weisser Ring e.V.
Für die erste anwaltliche Beratung kannst du beim Weissen Ring e.V. einen Hilfescheck ausstellen lassen. Dazu muss Auskunft zum Delikt, zum Zeitraum der Beratung sowie um eine kurze Information zu Beratungsinhalt, -umfang und -ergebnis gegeben werden. Alle weiteren Informationen bekommst du in einer telefonischen Beratung.Email: leipzig@mail.weisser-ring.de
Tel.: 0351/85074496

Beratungshilfeschein
Um über die erste anwaltliche Beratung hinaus einen Rechtsbeistand zu beauftragen gibt es die Möglichkeit einen Beratungshilfeschein zu beantragen. Viele Anwält*innen können dies für oder mit dir zusammen tun und das Prozedere in der ersten Beratung erläutern. Der Beratungshilfeschein wird beim zuständigen Amtsgericht beantragt. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe zu beantragen.

7. Psychosoziale Prozessbegleitung
Menschen, die schwere zwischenmenschliche Gewalt erfahren haben sind besonders schutzbedürftige Zeug*innen und können vor, während und nach der Hauptverhandlung durch eine*n Prozessbegleiter*in unterstützt werden. Psychosoziale Prozessbegleiter*innen sind speziell ausgebildet. Sie erklären die Abläufe des Strafverfahrens und stehen als Ansprechperson im gesamten Strafverfahren zur Seite. Allerdings ersetzen sie nicht einen Rechtsbeistand.
Du kannst dich mit dem Bellis e.V. (s.o.) in Verbindung setzen und alles weitere besprechen. In der Regel ist das Angebot kostenfrei.

8. Zivilrechtliche Möglichkeiten
Wenn du dich in einer anhaltenden Gewalt- oder Bedrohungssituation befindest, kannst du auch zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten beantragen. Das geht bei so genannter Gewalt im sozialen Nahraum/Häuslicher Gewalt (z.B. wenn du mit einer gewalttätigen Person zusammenlebst), bei Stalking oder auch wenn Gewalt(-drohungen) von einer Person ausgehen, mit der du nicht zusammenlebst.

Gewaltschutzantrag nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG)
Das Gewaltschutzgesetz soll alle Menschen schützen die von Gewalt oder Androhung von Gewalt betroffen sind. Dazu zählt körperliche Gewalt aber auch Formen der psychischen Gewalt, die nach dem Strafgesetzbuch strafbar sind.
Kurz zusammengefasst beinhaltet es ein Kontakt- und Näherungsverbot und kann auch zur Wegweisung des Täters für maximal 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung (egal wer im Mietvertrag steht) führen.
Einen Gewaltschutzantrag stellt ihr am besten gemeinsam mit einer*m Anwält*in.
Die letzte Gewalt sollte nicht länger als 14 Tage zurückliegen. Der Antrag beinhaltet neben der Schilderung der Gewalt eine Eidesstattliche Versicherung, dass die geschilderten Ereignisse wahr sind. Anhand davon entscheidet das Gericht, ob dem Antrag stattgegeben wird oder nicht.
Wird dem Antrag stattgegeben wird dieser Beschluss der gewaltausübenden Person per Polizei überbracht. Erst wenn dieser zugestellt wurde ist der Antrag für 6 Monate gültig. Hält die Gewalt weiterhin an, muss vor Ablauf der Frist ein Antrag auf Verlängerung gestellt werden.

9. Weitere Informationen
In dem hier verlinkten Reader findest du noch ausführlichere Informationen.